Eigentlich wollte ich nicht schreiben, schon garnicht mit der Stimmung
in der ich gerade bin.
Wir waren heute nachmittag bei Ivies Ärztin. Als wir wieder zuhause waren
lag die Trauerkarte, bzw. Brief, im Briefkasten.
Ich habe gleich gesagt, da ist was schief gelaufen, hat jemand einen Fehler
gemacht. Sie würden das nicht extra machen, warum auch. Ist was schief gelaufen.
Mein Name steht nicht dabei. Mein Stiefvater, meine Schwester, aber nicht ich.
Gut, ich falle dann wohl unter "Angehörige". Ein anderer Name steht da, deshalb
wird es ein Fehler sein, oder? Der andere steht mit "und" im Zusammenhang mit
meiner Schwester, zumindest wird man sich das so denken.
Meine Mutter, die Beerdigung meiner Mutter und ich werde nicht genannt.
Ist doch nicht so schlimm, ein Fehler, kann doch passieren.
Ist es niemanden aufgefallen? Hat niemand einen Blick drauf geworfen? Wer hat
die Karten fertig gemacht und wer hat sie verteilt? Sie kamen nicht mit der
Post, meine Adresse ist nichtmal vollständig drauf geschrieben. Jemand der
wusste wo ich wohne hat sie verteilt, sicher mein Stiefvater.
Es schnmerzt, eine Kleinigkeit? "Hey der Sohn steht nicht mit dabei, was ist
denn mit dem los?". Offiziell nicht dazu gehören, so fühlt es sich für mich an.
Als ob ich nicht trauern würde, als ob ich nicht um sie weinen würde.
Warum bei mir? Warum immer bei mir? Mein Name ist kurz und nicht schwer. Aber
den meiner Schwester haben sie richtig geschrieben? Es ist auch kein Vertipper,
ein falscher Buchstabe, es ist ein anderer Name.
Ivie fragte dann auch, ob das dann auch als Traueranzeige in der Zeitung steht.
Na danke. Ich musste raus, sorry Ivie, ich musste weg, alleine. Bin rum gefahren,
wollte nach BI. Warum nach BI? Dort haben Freni und ich geheiratet, am Stadtrand
haben wir gelebt. Vielleicht wollte ich dorthin zurück. Bin aber auf halben Weg
umgedreht. War an Orten an dennen ich als Kind gerne war, wenn ich Probleme hatte.
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob wir hier bleiben sollten. Vielleicht war es ein
Fehler, hier her zurück zu kommen. Das Leben, es hasst mich.
Bei Ivie ist alles in Ordnung, die Ärztin sah es positiv. Sie hat mich sogar
wiedererkannt.
Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, wegen der Karte. Runterschlucken
und sehen, wie ich damit fertig werde? So wie immer, früher?
Wir haben noch nicht mit meinem Stiefvater gesprochen, wäre im Moment auch
nicht produktiv, in der Stimmunmg in der ich bin.
Auch er trauert und Fehler passieren. Aber natürlich trifft es wieder nur mich,
nicht andere.
Das Versuchskanichen des Lebens, immer wieder ... um zu sehen wieviel es aushält.
Meine Mutter wäre ziemlich sauer wenn sie es wüsste, sie würde wohl sagen, daß
hätte nicht passieren dürfen, man hätte darauf achten müssen, sowas sei doch
wichtig. Es ist ihre Beerdigung, ich werde sicher kein Theater machen, vergessen
werde ich es nicht.
Sollte es so auch in der Zeitung erscheinen werde ich eine eigene Traueranzeige
schalten.
Wenn es deswegen Streit mit der Familie gibt, ist es mir egal. Ich lasse mich nicht
wegschieben und verschweigen, nicht mehr. Wenn sie es nicht verstehen, dann tut es
mir leid.
coro di dea